Opfer des 2. Weltkriegs Opfer des 2. Weltkriegs und der NS-Zeit auf dem Friedhof der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Bad Bramstedt – Einladung zu einem Rundgang.

Friedhöfe sind überall im Land ein Spiegel unserer Geschichte, der individuellen von vielen Familien, aber auch von weltpolitischen Ereignissen und Katastrophen. Immer weniger von Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher des Friedhofs, haben persönliche Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen, dem furchtbaren Zivilisationsbruch, die Kriegszeit bis 1945 und die ersten Jahre der Nachkriegszeit. Umso wichtiger ist es, das Echo dieser Zeit auf unserem Friedhof nicht nur in Ehren zu halten, sondern auch die Erinnerung an Täter und Opfer wach zu halten.

Im Norden der Stadt erinnert ein durch seine Schlichtheit beeindruckendes Denkmal, geschaffen 1957 durch den Gartenarchitekten Gustav Lüttge aus Hamburg, an die Kriegsjahre 1939 - 1945 ohne die Nennung einzelner Namen. 412 Namen finden sich auf der Südseite dieses Friedhofs auf kleinen Findlingen. Sie stehen für die erhalten gebliebenen Kriegsgräber, ohne dass wir als Besucher mehr über sie erfahren. Auch deshalb wurde bereits damals entschieden, die Namen in zwei großen Büchern hier in der Gedächtniskapelle aufzubewahren – siehe Abbildung unten. Darunter sind viele Frauen, die auf der Flucht oder danach im Influx-Krankenhaus, der späteren Rheumaklinik, starben.

Der Erinnerungsstein mit Worten des libanesischen Dichters Khalil Gibran in der Nähe der Kapelle zeugt außerdem davon, dass Verstorbenen oftmals auch ohne ein sichtbares Grab gedacht werden muss.

Zum Besuch der anderen Straßenseite der Glückstädter Straße sind Sie eingeladen.

Erfreulicherweise ist das Interesse an den dort sichtbaren, aber auch an den "verschwundenen" Namen ab den 2010er Jahren in der Bürgergesellschaft gestiegen. Beispielhaft sei das Engagement von Pastor em. Bernd Hofmann, des Journalisten Helge Buttkereit, des Historikers Uwe Fentsahm, von engagierten Bürger:innen aus Wiemersdorf und Vertreter:innen der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Bad Bramstedt erwähnt.

Die Öffentlichkeit hat insbesondere seit 2018 das traurige Schicksal von 15 Babys und Kleinkindern polnischer, im Laufe des 2. Weltkriegs nach Schleswig-Holstein verschleppter Zwangsarbeiterinnen berührt. Neun Kinder wurden in der Zeit von 1943-1945 in Wiemersdorf im dortigen – damals sogenannten – "Ostarbeiter-Kinderheim" (im Ziegeleiweg) untergebracht und starben aufgrund ungenügender Ernährung und Pflege.

Bürokratische Vorgaben führten in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts dazu, dass nur die Grabsteine der volljährigen – ehemals so bezeichneten – "feindlichen Ausländer" erhalten geblieben sind. Aufgrund des Projekts, durch das auch diese Informationstafel aufgestellt wurde, sind die Namen der Kinder in einer rekonstruierten Grabanlage im Südteil des Friedhofes wieder sichtbar geworden. An der in Ihrer Nähe markierten Stelle ist auch ein Denkmal als Ergebnis eines Projektes von Schülerinnen und Schülern der Bad Bramstedter Gemeinschaftsschule Auenland vorgesehen.

Das "Massengrab" ist rekonstruiert.

Die schlechte Gesamtsituation in dieser – offiziell von NS-Funktionären als "Ausländerkinder-Pflegestätte" bezeichneten – Einrichtung hat dazu geführt, dass so viele Kinder wenige Tage oder Wochen nach der Geburt verstorben sind. Sechs weitere Kinder waren zumeist auf Bauernhöfen in der Umgebung Bad Bramstedts. Ihre Mütter sind in diesen Orten zur Zwangsarbeit bei einzelnen Bauern verpflichtet worden. Die Gräber dieser Kinder sind Ende der 1950er oder Anfang der 1960er Jahre entfernt worden, da sie offiziell nicht als Kriegsgräber galten und somit für die Grabpflege keine finanziellen Zuschüsse vom Bund flossen. Die erwachsenen Verstorbenen wurden dagegen innerhalb dieses Teils des Friedhofs umgebettet und mit namentlich gekennzeichneten Findlingen geehrt. Daher stehen für sie an dieser Stelle stellvertretend Findlinge ohne Namen:

Stefanie Blonska (geb. 02.09.1922 in Polen, gestorben in Föhrden-Barl am 18.03.1942)

Ludwik Blaschtschik (geb. 07.06.1906 in Polen, gestorben in Hagen am 02.08.1943)

Henry Hetner, geb. am 13.09.1943 in Kaltenkirchen, gestorben in Wiemersdorf am 05.01.1944, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin 

Anna Prokopiak, geb. am 11.02.1944 in Bad Segeberg, gest. in Bad Bramstedt am 27.02.1944, Tochter einer poln. Zwangsarbeiterin. Auf dem noch erhaltenen Grabstein war fälschlicherweise 1924 angegeben, wodurch Anna als Erwachsene erschien und das Grab umgebettet wurde.

Ursula Nadanyuska, geb. am 15.02.1944 Neumünster, gestorben in Fuhlendorf am 15.03.1944, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Adam Potowski (geb. 11.12.1924 in Polen, gestorben in Weddelbrook am 20.08.1944)

Johann Marciniak, geb. am 02.07.1944 in Gadeland, gestorben in Wiemersdorf am 03.09.1944, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin

Julek Polzik, geb. am 23.02.1944 Weddelbrook, gestorben in Wiemersdorf am 25.09.1944, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin

Janina Posluschny, geb. am 04.04.1944 in Bad Segeberg, gestorben in Wiemersdorf am 01.10.1944, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Irene Gryglak, geb. am 23.08.1944 in Wiemersdorf, gestorben in Wiemersdorf am 01.10.1944, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Jan Stanisch, geb. am 07.03.1944 in Bad Segeberg, gestorben in Wiemersdorf am 04.10.1944, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin 

Stanislaus Watczyk, geb. am 30.03.1944 in Neumünster, gestorben in Wiemersdorf am 03.10.1944, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin

Nikolei Terin, gestorben am 07.11.1944 (24 Jahre alt, sowj. Kriegsgefangener, Radiotechniker aus Moskau, Kriegsgefangenen-Arbeitskommando 1308 Neumünster),

Ella Wowk, geb. am 06.10.1943 in Kaltenkirchen, gestorben in Wiemersdorf am 23.11.1944, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Lepczynska (ohne Vornamen), geb. am 27.11.1944 in Bimöhlen, gestorben in Bimöhlen am selben Tag, "totgeborenes Mädchen", Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Sergej Litowtschenko (geb. am 25.09.1882 in der Sowjetunion, gestorben im Reservelazarett Bad Bramstedt am 04.12.1944), landwirtschaftlicher Arbeiter aus Armstedt

Nina Busom, geb. am 02.01.1945 in Neumünster, gestorben in Wiemersdorf am 29.01.1945, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Hedwig Tyra, geb. am 22.03.1945 in Föhrden-Barl, gestorben in Föhrden-Barl am 22.04.1945, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Wladislaw Nowaki (geb. 09.09.1918 in Polen, gest. in Fuhlendorf am 03.04.1945)

Hamid Schamido (geb. am 09.03.1922 in der Sowjetunion, gest. 13.04.1945), Häftling des KZ Hamburg-Fuhlsbüttel, erschossen am Südrand von Bad Bramstedt bei einem "Evakuierungs-marsch“ (Todesmarsch) von Hamburg in das "Arbeitserziehungslager" Kiel-Russee

Christine Nadanyuska, geb. am 25.02.1945 in Neumünster, gestorben in Fuhlendorf am 25.04.1945, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin

Irene Kwasniewska, geb. am 19.12.1945 in Bad Bramstedt, gestorben in Bad Bramstedt am 27.02.1946, Tochter einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin

Jerzy Lewitzki (am 29.12.1945 gestorben im Reservelazarett Bad Bramstedt), polnischer Offizier

Unter Verwendung der Arbeits- und Forschungsergebnisse des Historikers Uwe Fentsahm.

 

Das Projekt wurde durch den Verein Holsteiner Auenland – LAG AktivRegion e.V. mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" des Bundes, des Landes und des Vereins auf Initiative des Ministeriums für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein gefördert.

Das "Ostarbeiter-Kinderheim" in Wiemersdorf (1943/45) als Beispiel für eine „Ausländerkinder-Pflegestätte“ in Schleswig-Holstein (Autor: Uwe Fentsahm), Link:

http://www.zwangsarbeiter-s-h.de/Ergebnisse/AKPS/AKPS-Wiemersdorf-1.htm